Familienverband zum Frauenvolksbegehren: Fokus zu sehr auf Erwerbstätigen
Mit dem Katholischen Familienverband und der Katholischen Frauenbewegung haben sich am Dienstag - nach der Katholischen Jugend - zwei weitere große kirchliche Organisationen differenziert zum "Frauenvolksbegehren 2.0" geäußert. Das geplante Volksbegehren rücke "legitime und berechtigte Anliegen" ins Blickfeld; wegen mancher Einseitigkeit will der Katholische Familienverband Österreichs (KFÖ) jedoch keine Empfehlung zu dessen Unterstützung geben. KFÖ-Vizepräsidentin Doris Wirth vermisst vor allem "jegliche Solidarität mit berufstätigen Frauen, die auch Mütter sind und ihre Kinder in den ersten Jahren selber betreuen möchten"; der Fokus der Betreiberinnen liege allzu stark auf erwerbstätigen Frauen ohne Betreuungspflichten.
Und wie andere katholische Stimmen lehne der Familienverband die Forderung ab, krankenkassenfinanzierte Schwangerschaftsabbrüche in allen öffentlichen Krankenanstalten durchzuführen. Wirth bekundete die Unterstützung des Verbands für die Kampagne "Fakten helfen" der "Aktion Leben", die eine anonymisierte Statistik darüber einfordert, wie viele Abtreibungen es in Österreich gibt und was die Motive dafür sind. Die "Aktion Leben" selbst äußerte am Dienstag ebenfalls diesbezügliche Vorbehalte gegenüber dem Frauenvolksbegehren.
Die Katholische Frauenbewegung Österreichs (kfbö) wiederum begrüßte am Dienstag die Initiative eines Frauenvolksbegehrens, für dessen Zustandekommen seit Montag vier Wochen lang in Bezirks- und Magistratsämtern Unterschriften geleistet werden können. Bis 12. März müssen nun 8.401 Unterstützungserklärungen gesammelt werden, damit eine Eintragungswoche für das Frauenvolksbegehren festgelegt wird.
"Kinderziehungszeiten kein Thema?"
Ein staatlich garantierter Anspruch auf Unterhaltsvorschuss, bundesweit einheitliche Qualitätsstandards in der Kinderbetreuung, die Offensive für Gewaltschutz und -prävention oder ein Verbot sexistischer Werbung - hinter all diese Forderungen kann sich der Katholische Familienverband stellen. Zugleich zeigte sich Vizepräsidentin Wirth "verwundert, dass weder die gesetzliche Anerkennung der Elternkarenz als Vordienstzeit noch die Anrechnung der Karenzzeiten für die Biennalsprünge gefordert werden". Das wären "zwei genuin frauenpolitische Forderungen", die dazu beitrügen, die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen ein Stück weit zu schließen. Zudem würde dadurch die Benachteiligung von Müttern, die aufgrund von Kindererziehungszeiten ihre Erwerbsarbeit unterbrechen, beseitigt.
Der Katholische Familienverband sieht im Frauenvolksbegehren "nicht berücksichtigt", dass sehr viele erwerbstätige Frauen auch Mütter sind und benachteiligt werden, wenn sie Betreuungs- und Familienarbeit leisten. Und gerade diese Tätigkeiten würden vorrangig von Frauen und Müttern geleistet, wies Wirth hin. Sie gelte es für die Pension besser anzurechnen.
"Absolut keine Unterstützung" findet im KFÖ die Forderung, krankenkassenfinanzierte Abtreibungen in allen öffentlichen Krankenanstalten durchzuführen. "Als katholische Organisation werden wir kein Volksbegehren unterstützen", das flächendeckend kostenlose Schwangerschaftsabbrüche fordert "und damit suggeriert, ein Schwangerschaftsabbruch sei ein harmloser und beiläufiger Eingriff", stellte Wirth klar.
Frauen, die aus diesem oder anderen Gründen das Volksbegehren nicht unterstützen, dürfe deswegen nicht automatisch ein konservatives Frauenbild unterstellt werden, so die Verbands-Vizepräsidentin abschließend. Das wäre "ein grobes Foul an den eigenen Geschlechtsgenossinnen" und führe nur dazu, Frauen gegeneinander auszuspielen, mahnte Wirth Fairness ein.
"Weitgehende Unterstützung" der kfbö
Mit dem Frauenvolksbegehren 2.0 würden Forderungen an die Politik gerichtet, die in vielen Punkten auch 20 Jahre nach dem letzten Frauenvolksbegehren aktuell seien - "Forderungen im Sinne einer Gleichberechtigung von Männern und Frauen, eines guten Lebens für die Menschen in diesem Land ungeachtet ihres Geschlechts". Deshalb begrüße die Katholische Frauenbewegung (kfbö) die Initiative zu dessen neuerlicher Durchführung, hieß es am Dienstag. In der kfbö sei ein breiter Diskussionsprozess über die Forderungen erfolgt, auch mit den Initiatorinnen habe die größte Frauenorganisation des Landes "mehrfachen Austausch" gesucht. "Ergebnis dieses Prozesses ist eine weitgehend Unterstützung der Forderungen."
"Weitgehend" deshalb, weil es hinsichtlich der Forderung nach einem kostenlosen bzw. krankenkassenfinanzierten Schwangerschaftsabbruch "unterschiedliche Positionen" gebe. Begrüßt wird von der kfbö jedenfalls die Forderung nach "staatlich finanzierten, rechtlich abgesicherten, anonymen und kostenfreien Beratungsstellen" in ausreichender Zahl. Im Sinne eines umfassenden Lebensschutzes müsse alles getan werden, damit Frauen eine gut überlegte, ethisch verantwortbare Entscheidung treffen können.
Die Katholische Frauenbewegung rief Frauen wie Männer dazu auf, sich über die Inhalte des Frauenvolksbegehrens zu informieren, sich an der Debatte darüber zu beteiligen "und eine Unterstützung individuell zu entscheiden".
"Vergebene Chance auf echte Wahlfreiheit"
Am Thema Schwangerschaftsabbrüche hakt es auch für die "Aktion Leben Österreich", einem partei- und konfessionsunabhängigen Verein, der - wie er am Dienstag mitteilte - "seit Jahrzehnten für Frauen arbeitet und für Frauenrechte eintritt". Die Forderung nach bezahlten Abtreibungen "polarisiert"; das für Frauen so wichtige Thema Krisenschwangerschaften "wird auf eine Extremforderung reduziert", bedauerte Generalsekretärin Martina Kronthaler.
Die "Aktion Leben" unterstütze daher das Frauenvolksbegehren nicht, auch wenn es andere "hochrelevante Forderungen" enthalte, "um Gerechtigkeit, Selbstbestimmung und Schutz vor Gewalt für Frauen zu erreichen und Frauen- und Kinderarmut zu bekämpfen". Ein gutes Leben für alle zu fördern stehe im Widerspruch dazu, bei ungewollten Schwangerschaften Frauen nichts anderes anbieten zu wollen als deren öffentlich bezahlten Abbruch. "Es werden zwar Beratungsstellen zum Schwangerschaftsabbruch gefordert. Notwendig sind aber staatlich finanzierte Schwangerenberatungsstellen, die ergebnisoffen darüber informieren, welche Möglichkeiten ungeplant schwangere Frauen haben, damit sie sich auch für das Kind entscheiden können", betonte Kronthaler. Nur wenn eine Frau konkrete Alternativen zur Abtreibung vorfinde, habe sie echte Wahlfreiheit.
Bitterer Nachsatz:
Es ist eine Tatsache, dass es in Österreich wesentlich einfacher ist, einen Abbruch zu bekommen als Hilfe für ein Leben mit dem Kind.
Auch die Katholische Jugend Österreich (KJÖ) findet in der Neuauflage des Frauenvolksbegehrens neben etlichen begrüßenswerten Anliegen auch Problematisches, etwa die Forderung nach Gratis-Verhütungsmitteln und Abtreibungen in allen Krankenanstalten. "Wir regen zu einer intensiven Auseinandersetzung mit den Themen des Frauenvolksbegehrens an, eine vorbehaltlose Empfehlung zur Unterstützung können wir allerdings nicht aussprechen", so KJÖ-Vorsitzende Sophie Matkovits am Freitag in einer Aussendung. (Info: https://frauenvolksbegehren.at)
Quelle: kathpress