
Erzdiözese Wien verstärkt Prävention bei Kindergruppen
Praktische Hinweise für eine bessere Prävention von Gewalt und Missbrauch in kirchlichen Kinder- und Jugendgruppen liefert eine neue Broschüre der Erzdiözese Wien. "Mein sicherer Ort" heißt die 68-seitige Handreichung, die sich speziell an ehrenamtliche Gruppenleiter richtet und in den nächsten Tagen in 3.000-facher Ausführung in die Pfarren versendet wird. "Kirche soll ein sicherer Ort sein", betont Kardinal Christoph Schönborn im Vorwort. Die Broschüre solle alle in der Kirche Tätigen unterstützen bei ihrer Bereitschaft zu "Präventionsarbeit und auch Reflexion dessen, wie Kinder- und Jugendarbeit in den Gemeinden und Gruppen gestaltet wird", so der Erzbischof.
Wo in der Kirche Missbrauch durch Geistliche, Priester oder Ordensleute geschehe, könne dies zur "Gottesvergiftung" werden, mahnte der Kardinal mit Blick auf die Missbrauchskrise nach dem Jahr 2010. "Missbrauch verstellt oft für ein ganzes Leben den Zugang zu Gott, der mit uns ist und der uns befreit". Die Kirche sei verpflichtet zur "Umkehr", zur Aufarbeitung ihrer Vergangenheit und auch dazu, "uns aktiv und engagiert für die Prävention von Missbrauch und Gewalt sowie für den Schutz der jungen Menschen einzusetzen, die uns anvertraut sind".
Die Broschüre setzt an der bereits seit vielen Jahren laufenden Präventionsarbeit der Katholischen Jungschar an, ergänzt um die Expertise von diözesanen Präventionszuständigen und Fachleuten. Ziel sei es, "den Blickwinkel des Gewaltschutzes in die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen einzubringen", erklärte die Leiterin der Stabsstelle für Missbrauchs- und Gewaltprävention, Kinder- und Jugendschutz der Erzdiözese Wien, Martina Greiner-Lebenbauer, im Interview mit "Kathpress". Auch die Themen sexuelle Übergriffe und Gewalt, Nähe und Distanz, Macht und Machtmissbrauch, Sexualität und das Verhalten in Verdachtsfällen werden im Druckwerk angeschnitten.
Regeln im Team festlegen
Verantwortliche von Kinder-, Firm- oder Jugendgruppen bräuchten Anhaltspunkte in Sachen Prävention, betonte Greiner-Lebenbauer. Statt Regelungen liefere die Broschüre "Ermutigungen", um im Team die Handhabung bestimmter Themen rechtzeitig abzusprechen: Von Ritualen wie Begrüßung und Verabschiedung über Zusammenarbeit mit Eltern bis hin zum Umgang mit Smartphones und Spielen, von der Veröffentlichung von Fotos und Filmen über die Schlafräume bis zum Umgang bei Zeckenalarm. Checklisten und Reflexionsfragen bieten dabei einen sehr praktischen Zugang. Wichtig sei es, schon vor einem Firmwochenende oder einer Sommerwoche einheitliche Regeln zu bestimmen "etwa für den Fall, dass sich Jugendliche ineinander verlieben", sagte Greiner-Lebenbauer.
Durchaus sei es nötig, manche gängige Praktiken zu hinterfragen: Körperbetonte Spiele oder Mutproben etwa oder auch die Verletzung des Persönlichkeitsschutzes, "etwa wenn Fotos von schlafenden Jugendlichen gemacht und später beim Elternabend gezeigt werden", wie Greiner-Lebenbauer darlegte. Viel komme auf die Auswahl und auch Schulung der Gruppenleiter an. Je jünger ihr Alter, desto wichtiger sei es, dass sie sich mit ihrer Rolle und Funktion vertraut machten und auch ihrer besonderen Verantwortung bewusst würden. Längst zu einem No-Go sei es auch geworden, sich als Gruppenverantwortlicher bei einem Kinderlager abends "anzusaufen", verdeutlichte die Präventionsbeauftragte.
Bei Verdachtsfällen reagieren
Besonders wichtig sei die richtige Vorgehensweise in Missbrauch-Verdachtsfällen. "Hier geht es darum, eine Haltung zu schaffen, dass etwas nicht in Ordnung ist - und Sicherheit zu geben, wann und wie ich die Eltern informieren oder wann ich eine Anzeige erstatten muss", betonte Greiner-Lebenbauer. Entscheidend sei Bewusstsein und Sensibilität für Grenzverletzungen, sowie die Grundhaltung, nichts zu vertuschen. "Als Gruppenleiter kann ich nicht sagen, es geht mich nichts an, wenn Jugendlichen unter 18 Jahre am Handy Pornos schauen oder jemand mit Nacktfotos erpresst wird. Hier liegen strafbare Handlungen vor", stellte die Expertin klar.
Auch kirchliche Jugendarbeit komme am Thema Sexualität nicht vorbei, "denn wir haben es nicht mit asexuellen Wesen zu tun, weder im Kindes- noch im Erwachsenenalter und erst recht nicht während der Pubertät", sagte Greiner-Lebenbauer. Gruppenleiter sollten das Thema enttabuisieren und als ein Bestandteil der Entwicklung "besprechbar" machen, jedoch abseits von Sexismus und Pornografie; auch die Wortwahl sei auf die Realität abzustimmen und dürfe niemand überfordern.
Link zum Download der Broschüre: https://www.erzdioezese-wien.at/dl/osmLJKJMOmMLJqx4KJK/Behelf_Praevention_Druckversion.pdf
Quelle: kathpress