Tagsüber Religionslehrer, abends Kabarettist
"Ich habe ja zwei Berufe", sagt Stefan Haider, wenn er auf der Bühne steht. "Abends bin ich Kabarettist, und tagsüber ... Religionslehrer." Daraufhin Gelächter im Publikum, bei jedem Auftritt. "Das ist immer die Reaktion, wenn ich das im Kabarett erwähne, da geht die Welle durch den Saal."
Als Lehrer eines Gegenstandes, von dem man sich abmelden kann, habe er einen "harten Gegner: Freizeit". Da sei der Gedanke naheliegend, seinem "Produkt" einen attraktiven Namen zu verleihen, sagt der Kleinkünstler. "Sexy Jesus" nenne er seinen Unterricht, auch wenn "im Zeugnis natürlich noch Religion" stehe. Und "Sexy Jesus" hieß auch sein vorletztes Programm, mit dem der in Wien lebende, aus der Steiermark stammende und dazwischen - in Wiener Neustadt - unterrichtende Haider etwa auf der diesjährigen Pastoraltagung für Lach-Stürme sorgte.
Vor exakt 20 Jahren, noch als Theologiestudent, hatte der jetzt 44-Jährige seinen ersten Auftritt in Mürzzuschlag, der Heimatstadt Elfriede Jelineks. Daran lag es aber wohl nicht, dass das Premierenprogramm mit "Liedern über Gott und die Welt" sehr ernst ausfiel, so Haider gegenüber "Kathpress" im Rückblick über die "irgendwo zwischen Konstantin Wecker und Werner Schneyder" angesiedelte Darbietung mit dem Untertitel "katholische Kleinkunst mit Stefan Haider". Eigentlich wollte er ja Musiker werden, sammelte Erfahrung mit Geige und später Gitarre in Musikschule, Orchester und mit der christlichen Band "Aufwind". Bei den Auftritten bemerkte er: Seine humorigen Zwischenmoderationen kommen an - warum also nicht auf Kabarett setzen?
Es folgten Wettbewerbe, die Ehrung mit dem Wiener Kleinkunstnagel-Preis 2005 und eine vierjährige Karenzierung vom Schuldienst, die ihn als Kabarettist auf die Profi-Ebene hievte, wie Haider erzählt. Jetzt schätzt er sich selbst als "zwei Drittel Religionslehrer und ein Drittel Kabarettist" ein, Auftritte absolviert Haider mittlerweile auch auf Topbühnen wie dem Stadtsaal in Wien, im Orpheum oder im Kabarett Niedermair. Aber auch wenn er bei einem Gastauftritt von Josef Hader anmoderiert wird oder mit dem Hardcore-Atheisten Gunkl bei einem Bier diskutiert, bleibe er immer Religionslehrer, der "Unterhaltung mit Haltung" machen will. Und die ist nun mal christlich, wie sein Fulltime-Hauptjob in einer Wiener Neustädter Schule für Mode und Elementarpädagogik anzeigt.
"Fallhöhe" durch äußerliche Seriosität
Natürlich kokettiert Haider auf der Bühne auch mit der Lehrerrolle. Er weiß, dass bei Nennung seiner Profession und des Schulfaches Klischees zum Tragen kommen: der Öko-Relilehrer in Gesundheitssandalen, oder der schwarz gekleidete Sartre-Spezialist, oder der total Nette, der sich nicht durchsetzen kann. Dazu kommt: "Ich sehe eher ernst aus, wirke seriös und bekomme dadurch gleich eine gewisse Fallhöhe", wenn von Hürden im Unterricht die Rede ist, sagt Haider, dessen Äußeres tatsächlich bankbeamtenkompatibel wäre. Das und sein Faible für Selbstironie erzeuge eine "gewisse Grundkomik".
Als "Fan gewaltfreier Kommunikation" ist es Haider, wie er sagt, lieber, dass er "selbst der Blöde" ist, als jemanden lächerlich zu machen. Das sei vielleicht mutig bei einem Diktator, aber auf Kirchenvertreter hinzuhauen, die imagemäßig ohnehin mäßig dastünden, ist seine Sache nicht. Eine "Titanic"-Titelseite mit dem kotbefleckten Papst Benedikt darauf und dem auf "Vatileaks" anspielenden Satz "Undichte Stelle im Vatikan gefunden" geht für ihn gar nicht. Da schon eher "Das Leben des Brian", die Film-Persiflage der britischen Komikertruppe der Monty Python's, die sogar Eingang in das BHS-Religionsbuch fand. Haider findet in dieser Komödie viel Bedenkenswertes über Bigotterie oder Gruppenfanatismus, die Kreuzigungsszene zum Schluss mit dem sarkastischen Appell "Always look on the bright side of life" dagegen überschreite ganz bewusst ein Tabu. "Da muss einem klar sein, dass man damit die religiösen Gefühle vieler verletzt."
Natürlich gibt es auch bei Haiders Gags unterschiedliche Empfindlichkeiten. Ein Titel wie "Sexy Jesus" führte zu Anfragen per Mail: "Würden Sie sich sowas auch mit Mohammed trauen?"; und sorgte - wie Haider erzählt - für Sorge bei einem ehemaligen Studienkollegen in Leibnitz, ob denn die Darbietung nicht zu frech gerate. Für ihn als Religionslehrer gebe es "Grenzen, die ich nicht überschreiten darf - und will", gibt der Kabarettist nachträglich Entwarnung. Wohl aber könne er seine Suche und Fragen ironisch, mitunter satirisch darstellen, und solange das eine gewisse Ernsthaftigkeit und Tiefe aufweist, hätten etwa auch Religions-Fachinspektoren kein Problem mit Haiders "katholischer Kleinkunst".
Lob von Bischof Krautwaschl
Höhere Weihen kommen auch vom Grazer Bischof Wilhelm Krautwaschl, der Haider aus seiner Zeit als Kaplan in Knittelfeld kennt und ihn beim jüngsten Medienempfang der Diözese Graz-Seckau für Lacher sorgen ließ. Hinter seiner kabarettistischen Begabung sei Haider "auf den zweiten Blick ein hintergründiger und nachdenklich machender Theologe, der seiner Profession mit einer ganz eigenen Mischung aus Humor und Zeitkritik nachgeht", lobte Krautwaschl auf Nachfrage von "Kathpress".
Christentum und Humor passen gut zusammen, ist sich Haider sicher. Nicht umsonst haben etliche österreichische Kabarettisten einen kirchlichen Background: Josef Hader war im Stiftsgymnasium Melk, Martin Puntigam im Grazer Bischöflichen Gymnasium, Leo Lukas ist Ex-Theologiestudent, Günther Lainer war Pastoralassistent und Religionslehrer, Jörg Martin Willnauer stammt aus einer Pastorenfamilie. Haider nennt es ein "gutes Gefühl, in einer Religion beheimatet zu sein, wo man auch lachen darf, sich selber auf die Schaufel nehmen kann".
Mit etwa 100 Auftritten pro Jahr ist der Wahlwiener mittlerweile gut in der Kabarettszene etabliert. Und für jene, denen sein Name noch nicht geläufig ist, hat er am Schluss seines Programms eine Eselsbrücke parat: "Ich heiße so, wie Stefan Petzner hieße, wenn er geheiratet hätte..."
(Info und Auftrittstermine: www.stefanhaider.com)
Quelle: kathpress