Vor 50 Jahren schaffte der Vatikan den Index ab
Der Index: Nur wenige Stichwörter in der Geschichte der katholischen Kirche sind emotional so aufgeladen wie dieses Verzeichnis der verbotenen Bücher, das seit Mitte des 16. Jahrhunderts im Auftrag der Päpste erstellt wurde. Es galt zuletzt nicht nur Kirchenkritikern als Inbegriff römischer Bevormundung. Noch bis in die Nachkriegszeit hinein mussten Katholiken, die etwa Werke des bekannten zeitgenössischen französischen Philosophen Jean-Paul Sartre (1905-1980) lesen wollten, dafür in Rom eine Ausnahmegenehmigung beantragen. Andernfalls drohte die Exkommunikation. Zumindest theoretisch. Vor 50 Jahren, am 14. Juni 1966, erklärte die vatikanische Glaubenskongregation schließlich die Abschaffung des "Index Librorum Prohibitorum", so der offiziell lateinische Titel.
Mehr als 6.000 Titel umfasste der Index in seiner letzten Fassung von 1948, die bis 1962 ergänzt wurde. Seine praktische Bedeutung war jedoch bereits seit längerem nur noch gering. Die meisten der aufgeführten Autoren stammten aus vergangenen Jahrhunderten. In Buchhandel und Bibliotheken waren sie entweder nicht vorhanden oder nur schwer zu beschaffen. Der Atheist Sartre bildet eine Ausnahme. Und das auch in anderer Hinsicht: Er war einer der wenigen zeitgenössischen nichttheologischen Autoren auf dem letzten Index. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren in der Regel nur noch reformorientierte Theologieprofessoren auf den Index gesetzt worden. Etliche wissenschaftliche Karrieren wurden im 20. Jahrhundert auf diese Weise zerstört.
Illustre Namen der Literatur- und Geistesgeschichte schmückten den Index im Laufe seiner Geschichte. Von Martin Luther über Alexandre Dumas bis Heinrich Heine. Abgelehnt wurde von der zuständigen Indexkongregation hingegen, die Winnetou-Bücher auf den Index zu setzen, wie es ein Denunziant gefordert hatte. Auch den Roman "Onkel Toms Hütte", ein Plädoyer für die Abschaffung der Sklaverei, mochten die Glaubenshüter nicht verbieten. Einblick in diese kuriosen Verfahren gibt der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf in seinem Buch "Index. Der Vatikan und die verbotenen Bücher." Wolf wertet mit seinen Mitarbeitern seit mehreren Jahren die Akten der Indexkongregation aus.
Stillschweigend abgeschafft
Eigentlich war das Verzeichnis der verbotenen Bücher bereits im Dezember 1965 stillschweigend abgeschafft worden. Nur: Das hatte kaum jemand mitbekommen. Und das war wohl auch von Papst Paul VI. durchaus so beabsichtigt. Im Zuge seiner Kurienreform hatte er die Aufgaben des vormaligen Heiligen Offiziums neu definiert, das fortan "Kongregation für die Glaubenslehre" hieß. In der Aufzählung fehlte allerdings die Buchzensur. Einem breiteren Publikum wurde dies jedoch erst durch ein Interview bekannt, das Kardinal Alfredo Ottaviani, der Präfekt der Behörde, im April 1966 einer italienischen Illustrierten gab. Darin erklärte er, der Index besäße nun keinerlei rechtliche Geltung mehr, werde nie wieder aufgelegt und bleibe allenfalls als "historisches Dokument" interessant. Eine solche Aussage wollte die Glaubenskongregation jedoch offenbar nicht nur einer Zeitschrift für Promi-Techtelmechtel und Königshaustratsch überlassen. Um endgültig Klarheit zu schaffen, erklärte die Behörde deshalb am 14. Juni 1966 formell die Aufhebung des Index.
Entstanden war der Index in der Mitte des 16. Jahrhunderts als Reaktion auf die Reformation und den Buchdruck. Katholiken sollten aus römischer Sicht vor der Lektüre der häretischen Schriften eines Martin Luther oder anderer Reformatoren abgehalten werden. Vor Erfindung des Buchdrucks war die Sache noch halbwegs einfach gewesen: Die beanstandete Handschrift wurde den Flammen übergeben, ebenso die wenigen in Klöstern vorhandenen Abschriften. Das funktionierte im Zeitalter des Johannes Gutenberg nicht mehr.
Ein Papst am Index
Ebenso wie das Ende war auch die Geburt des Index zunächst weitgehend unbemerkt geblieben: Papst Paul IV. ließ 1557 den ersten Index drucken. Als er jedoch feststellen musste, dass er selbst darauf mit einem frühen Werk vertreten war, in dem er für kirchliche Reformen plädierte, verzichtete er auf eine Veröffentlichung. So wurde der erste Index 1559 von der Römischen Inquisition publiziert.
Quelle: kathpress