Henning Klingen / Kathpress
Schönborn kritisiert Flüchtlingspolitik
Mit Kritik und Unverständnis hat Kardinal Christoph Schönborn auf die Flüchtlingspolitik der östlichen Nachbarländer innerhalb der EU reagiert und dabei an die christliche Verpflichtung zur Hilfe für Menschen in Not erinnert. In einem am Montag erschienen Interview für das slowakische Wochenmagazin "Tyzden" ("Woche") hinterfragt der Wiener Erzbischof die Haltung der Regierungen in Bratislava, Prag, Budapest und Warschau in der Flüchtlingsthematik und nimmt dabei auch Teile der Ortskirchen nicht aus. Mit Blick auf den abgesetzten slowakischen Erzbischof Robert Bezak hofft der Kardinal auf eine "transparente Lösung". Daneben werden Fragen im Blick auf seine persönliche Lebensgeschichte, sein Verhältnis zum Papst und zum Islam thematisiert.
Vom slowakischen Starjournalisten Stefan Hrib sowie dem Politikbeobachter Anton Vydra als "einer der Schlüsselkardinäle in der nahen Umgebung des Papstes" vorgestellt, unterstrich Schönborn einleitend die Aktualität des Weihnachtsfestes. Im Hinblick auf Herbergssuche in Bethlehem, Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten und Vertreibung des jüdischen Volkes nach Babylon sei "nach der jüdisch-christlichen Tradition die Flüchtlingsfürsorge etwas Elementares". Diese Überlieferung sei auch "in vielen europäischen Ländern, in denen der christliche Glaube geschwächt ist, gegenwärtig". Er sehe dies "auch in Österreich, wo viele Menschen aus der säkularisierten Gesellschaft, die von sich selber nicht behaupten, Christen zu sein, die große Verpflichtung gegenüber den Flüchtlingen nicht verloren haben".
Im Alter von neun Monaten 1945 aus seiner Heimat vertrieben, sei er selbst "im Bewusstsein aufgewachsen, dass wir Flüchtlinge sind", sagte der Wiener Erzbischof. Wenn er heute die Flüchtlingsschicksale höre, so rufe dies viele Erinnerungen aus seiner eigenen Geschichte wach.
Angesprochen auf das Verhalten der Slowakei, deren Regierung angesichts Hunderttausender Flüchtlinge nur 150 Syrern und ausschließlich Christen Hilfe angeboten habe, sowie auf ähnliche Tendenzen in Tschechien, Polen und Ungarn, erklärte der Kardinal, das sei für ihn "wirklich traurig". Er komme selber aus der Tschechoslowakei und "schäme sich für diese Haltung". Es sei "schrecklich, dass sie sich auf so genannte christliche Argumente" wie der Furcht vor der Islamisierung stütze.
Als 1991 tausende bosnische Flüchtlinge nach Österreich gekommen seien, sei es "nicht darum gegangen, ob sie Christen waren", erinnerte Schönborn. Es seien einfach "Menschen in Not" gewesen, von denen auch das Evangelium spreche. Beim Jüngsten Gericht werde das Jesus-Wort "Ich war ein Flüchtling und du hast mir geholfen" wichtig sein.
Abschottung: Berufung auf christliche Werte "lächerlich"
Von daher zeigte sich der Kardinal über die Haltung der genannten vier neuen EU-Mitgliedsländer enttäuscht. Sie seien durch viele Leiden hindurchgegangen, aber jetzt "von einer schändlichen Propaganda verblendet". Dies sei "ein Skandal". Sich dabei auf "unsere christlichen Werte zu berufen", sei "lächerlich". Gleichzeitig betonte er, dass er das "Heldentum des Kampfes für Freiheit und Menschenwürde" - 1956 in Ungarn, 1968 in der Tschechoslowakei und 1981 in Polen - schätze. "Jetzt aber scheint das alles vergessen zu sein. Das zu begreifen, übersteigt meinen Verstand."
Angesprochen auf den Aufruf von Papst Franziskus, jede Pfarre Europas möge wenigstens einen Flüchtling aufnehmen und den Unwillen der osteuropäischen Katholiken, die Worte des Papstes in Taten umzusetzen, erwiderte der Kardinal, das sei für ihn "ein Schock, wirklich ein Schock". Auch zeige eine Vernunftrechnung, dass Europa "Millionen von Zuwanderern braucht, um unseren Lebensstil aufrechtzuerhalten".
Die Flüchtlingskrise sei "eine riesige Gelegenheit, den Muslimen unsere christliche Haltung zu zeigen und den eigenen Glauben kennenzulernen", so Schönborn. Muslime hätten ihm einmal gesagt: "Saudi-Arabien hat genug Geld, hat uns aber nicht geholfen, ihr Christen aber habt uns geholfen."
Fremdenhass hängt nach dem Wiener Erzbischof "sehr häufig mit dem Fehlen persönlicher Erfahrung zusammen, aber auch mit Unsicherheit bezüglich der Zukunft". Es sei offensichtlich, "dass wir schwereren Zeiten entgegengehen" und die Menschen "empfindlich auf die Krise der Wirtschaft reagieren, die nicht mehr wachsen wird". Aber man dürfe sich "niemals der Angst ergeben".
Nein zu russozentrisch-antiwestlicher Ideologie
Bezüglich der wachsenden Sympathien für das Russland Vladimir Putins, die in der Slowakei zu beobachten sind, meinte Christoph Schönborn, slawophile Kreise hätten Russland schon vor der Russischen Revolution von 1917 als "Hort und Hafen christlicher Werte" idealisiert und den Westen als dekadent und Wurzel alles Bösen dargestellt. Gegen eine solche Ideologie - denn um eine solche handle es sich - gebe es aber eine einfache Arznei, nämlich den "Blick auf die Realität".
Er habe auf dem Wiener Hauptbahnhof, auf dem in der Flüchtlingskrise die meisten Flüchtlinge angekommen sind, alte und junge, christliche und nicht christliche Helfer und Helferinnen getroffen, die niemand gerufen habe und die doch geholfen hätten. Da frage er sich: "Sind diese Freiwilligen der dekadente Westen?"
Papst Franziskus in vielem ein Vorbild
Den Kritikern von Papst Franziskus versicherte Kardinal Schönborn, dieser sei "ein wahrer Katholik". Als einer, der auch seine beiden Vorgänger Johannes Paul II. und Benedikt XVI. gut gekannt habe, sehe er "eine gewaltige Kontinuität in der Verschiedenheit". Franziskus stelle durch seine täglichen Predigten und sein Verhalten auch ihm die große Frage: "Bist du, persönlich, du Erzbischof von Wien, tatsächlich ein Jünger Christi?" Das sei sozusagen "die Schule von Franziskus". Es sei für die Autorität der katholischen Kirche keinesfalls riskant, einen solchen Papst zu haben, vielmehr sei das Ansehen der Kirche seit der Wahl Jorge Bergoglios gewaltig gestiegen.
Papst Franziskus gebe in vielem ein Vorbild ab. Bei der Bischofssynode sei er täglich schon 20 Minuten vor Beginn der Beratungen erschienen um sich mit den Bischöfen, aber auch den Polizisten und anderen zu unterhalten. Diese Einfachheit im Kontakt habe zwei markante Auswirkungen: Erstens sei der Papst um vieles besser informiert, und zweitens sei dies "ein Aufruf sich normal zu verhalten". Dies gelte auch für die Klärung der Finanzen, mit der schon Papst Benedikt XVI. begonnen habe.
Causa Bezak braucht transparente Lösung
Zur Frage des im Juli 2012 abgesetzten Erzbischofs von Trnava (Tyrnau), Robert Bezak, erklärte Schönborn, er habe ihn vor zwei Jahren getroffen. Er könne nur seine "wirkliche Hoffnung auf eine gute und transparente Lösung dieses Problems äußern". Er frage sich aber schon, wie es möglich sei, dass er von der Absetzung eines Bischofs in der Nachbarschaft aus der Zeitung erfahren habe.
Angesprochen auf Bezaks Reformprogramm, das in vielen Punkten dem des Papstes entsprach - Klärung der finanziellen Situation, Öffnung der Kirche für junge Menschen, Verkündigung der Frohbotschaft an ungewöhnlichen Orten -, erwiderte Kardinal Schönborn, er können nicht für die Slowakei sprechen. Es bestehe aber "kein Zweifel, dass man ohne Klärung der Finanzen, Offenheit für die Kultur und ohne menschliche Einfachheit das Evangelium nicht zu den Menschen bringen kann".
Zu seinen persönlichen Stützen befragte sagte der Wiener Erzbischof, auch ein Kardinal oder ein Papst bräuchten "tiefe Freundschaften". Eine Glaubensfinsternis, von der Mutter Teresa in ihrem Buch "Sei du mein Licht" spreche, sei einem Kardinal nicht fremd. Er selbst habe die "Gottesbeziehung in der Jugend viel emotionaler erlebt", später habe er "oft in der Abwesenheit dieser emotionalen Erfahrung gelebt". Er hoffe aber, dass diese persönliche Gottesbeziehung weiterhin die Grundlage seines Glaubens sei.
Vom slowakischen Starjournalisten Stefan Hrib sowie dem Politikbeobachter Anton Vydra als "einer der Schlüsselkardinäle in der nahen Umgebung des Papstes" vorgestellt, unterstrich Schönborn einleitend die Aktualität des Weihnachtsfestes. Im Hinblick auf Herbergssuche in Bethlehem, Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten und Vertreibung des jüdischen Volkes nach Babylon sei "nach der jüdisch-christlichen Tradition die Flüchtlingsfürsorge etwas Elementares". Diese Überlieferung sei auch "in vielen europäischen Ländern, in denen der christliche Glaube geschwächt ist, gegenwärtig". Er sehe dies "auch in Österreich, wo viele Menschen aus der säkularisierten Gesellschaft, die von sich selber nicht behaupten, Christen zu sein, die große Verpflichtung gegenüber den Flüchtlingen nicht verloren haben".
Im Alter von neun Monaten 1945 aus seiner Heimat vertrieben, sei er selbst "im Bewusstsein aufgewachsen, dass wir Flüchtlinge sind", sagte der Wiener Erzbischof. Wenn er heute die Flüchtlingsschicksale höre, so rufe dies viele Erinnerungen aus seiner eigenen Geschichte wach.
Angesprochen auf das Verhalten der Slowakei, deren Regierung angesichts Hunderttausender Flüchtlinge nur 150 Syrern und ausschließlich Christen Hilfe angeboten habe, sowie auf ähnliche Tendenzen in Tschechien, Polen und Ungarn, erklärte der Kardinal, das sei für ihn "wirklich traurig". Er komme selber aus der Tschechoslowakei und "schäme sich für diese Haltung". Es sei "schrecklich, dass sie sich auf so genannte christliche Argumente" wie der Furcht vor der Islamisierung stütze.
Als 1991 tausende bosnische Flüchtlinge nach Österreich gekommen seien, sei es "nicht darum gegangen, ob sie Christen waren", erinnerte Schönborn. Es seien einfach "Menschen in Not" gewesen, von denen auch das Evangelium spreche. Beim Jüngsten Gericht werde das Jesus-Wort "Ich war ein Flüchtling und du hast mir geholfen" wichtig sein.
Abschottung: Berufung auf christliche Werte "lächerlich"
Von daher zeigte sich der Kardinal über die Haltung der genannten vier neuen EU-Mitgliedsländer enttäuscht. Sie seien durch viele Leiden hindurchgegangen, aber jetzt "von einer schändlichen Propaganda verblendet". Dies sei "ein Skandal". Sich dabei auf "unsere christlichen Werte zu berufen", sei "lächerlich". Gleichzeitig betonte er, dass er das "Heldentum des Kampfes für Freiheit und Menschenwürde" - 1956 in Ungarn, 1968 in der Tschechoslowakei und 1981 in Polen - schätze. "Jetzt aber scheint das alles vergessen zu sein. Das zu begreifen, übersteigt meinen Verstand."
Angesprochen auf den Aufruf von Papst Franziskus, jede Pfarre Europas möge wenigstens einen Flüchtling aufnehmen und den Unwillen der osteuropäischen Katholiken, die Worte des Papstes in Taten umzusetzen, erwiderte der Kardinal, das sei für ihn "ein Schock, wirklich ein Schock". Auch zeige eine Vernunftrechnung, dass Europa "Millionen von Zuwanderern braucht, um unseren Lebensstil aufrechtzuerhalten".
Die Flüchtlingskrise sei "eine riesige Gelegenheit, den Muslimen unsere christliche Haltung zu zeigen und den eigenen Glauben kennenzulernen", so Schönborn. Muslime hätten ihm einmal gesagt: "Saudi-Arabien hat genug Geld, hat uns aber nicht geholfen, ihr Christen aber habt uns geholfen."
Fremdenhass hängt nach dem Wiener Erzbischof "sehr häufig mit dem Fehlen persönlicher Erfahrung zusammen, aber auch mit Unsicherheit bezüglich der Zukunft". Es sei offensichtlich, "dass wir schwereren Zeiten entgegengehen" und die Menschen "empfindlich auf die Krise der Wirtschaft reagieren, die nicht mehr wachsen wird". Aber man dürfe sich "niemals der Angst ergeben".
Nein zu russozentrisch-antiwestlicher Ideologie
Bezüglich der wachsenden Sympathien für das Russland Vladimir Putins, die in der Slowakei zu beobachten sind, meinte Christoph Schönborn, slawophile Kreise hätten Russland schon vor der Russischen Revolution von 1917 als "Hort und Hafen christlicher Werte" idealisiert und den Westen als dekadent und Wurzel alles Bösen dargestellt. Gegen eine solche Ideologie - denn um eine solche handle es sich - gebe es aber eine einfache Arznei, nämlich den "Blick auf die Realität".
Er habe auf dem Wiener Hauptbahnhof, auf dem in der Flüchtlingskrise die meisten Flüchtlinge angekommen sind, alte und junge, christliche und nicht christliche Helfer und Helferinnen getroffen, die niemand gerufen habe und die doch geholfen hätten. Da frage er sich: "Sind diese Freiwilligen der dekadente Westen?"
Papst Franziskus in vielem ein Vorbild
Den Kritikern von Papst Franziskus versicherte Kardinal Schönborn, dieser sei "ein wahrer Katholik". Als einer, der auch seine beiden Vorgänger Johannes Paul II. und Benedikt XVI. gut gekannt habe, sehe er "eine gewaltige Kontinuität in der Verschiedenheit". Franziskus stelle durch seine täglichen Predigten und sein Verhalten auch ihm die große Frage: "Bist du, persönlich, du Erzbischof von Wien, tatsächlich ein Jünger Christi?" Das sei sozusagen "die Schule von Franziskus". Es sei für die Autorität der katholischen Kirche keinesfalls riskant, einen solchen Papst zu haben, vielmehr sei das Ansehen der Kirche seit der Wahl Jorge Bergoglios gewaltig gestiegen.
Papst Franziskus gebe in vielem ein Vorbild ab. Bei der Bischofssynode sei er täglich schon 20 Minuten vor Beginn der Beratungen erschienen um sich mit den Bischöfen, aber auch den Polizisten und anderen zu unterhalten. Diese Einfachheit im Kontakt habe zwei markante Auswirkungen: Erstens sei der Papst um vieles besser informiert, und zweitens sei dies "ein Aufruf sich normal zu verhalten". Dies gelte auch für die Klärung der Finanzen, mit der schon Papst Benedikt XVI. begonnen habe.
Causa Bezak braucht transparente Lösung
Zur Frage des im Juli 2012 abgesetzten Erzbischofs von Trnava (Tyrnau), Robert Bezak, erklärte Schönborn, er habe ihn vor zwei Jahren getroffen. Er könne nur seine "wirkliche Hoffnung auf eine gute und transparente Lösung dieses Problems äußern". Er frage sich aber schon, wie es möglich sei, dass er von der Absetzung eines Bischofs in der Nachbarschaft aus der Zeitung erfahren habe.
Angesprochen auf Bezaks Reformprogramm, das in vielen Punkten dem des Papstes entsprach - Klärung der finanziellen Situation, Öffnung der Kirche für junge Menschen, Verkündigung der Frohbotschaft an ungewöhnlichen Orten -, erwiderte Kardinal Schönborn, er können nicht für die Slowakei sprechen. Es bestehe aber "kein Zweifel, dass man ohne Klärung der Finanzen, Offenheit für die Kultur und ohne menschliche Einfachheit das Evangelium nicht zu den Menschen bringen kann".
Zu seinen persönlichen Stützen befragte sagte der Wiener Erzbischof, auch ein Kardinal oder ein Papst bräuchten "tiefe Freundschaften". Eine Glaubensfinsternis, von der Mutter Teresa in ihrem Buch "Sei du mein Licht" spreche, sei einem Kardinal nicht fremd. Er selbst habe die "Gottesbeziehung in der Jugend viel emotionaler erlebt", später habe er "oft in der Abwesenheit dieser emotionalen Erfahrung gelebt". Er hoffe aber, dass diese persönliche Gottesbeziehung weiterhin die Grundlage seines Glaubens sei.
Quelle: kathpress