Sorge um Zukunft Europas
Sehr skeptisch, dass sich die derzeit nach Europa strömenden muslimischen Flüchtlinge tatsächlich in die europäische Gesellschaft integrieren, hat sich der irakische Ordensmann P. Nagib Michael gezeigt. Europa drohe eine Destabilisierung, so Nagib im "Kathpress"-Interview. Der Dominikaner hält sich derzeit in Österreich auf, wo er u.a. an einer Tagung des Internationalen Zentrums für Archivforschung (ICARUS) in St. Pölten teilnahm. Zum einen sei es Aufgabe der Behörden, sehr genau zwischen Flüchtlingen und Terroristen zu unterscheiden, warnte Nagib. Zum anderen habe er große Zweifel, dass die Muslime ihre Mentalität aufgeben würden, wonach sie sich als etwas Besseres als Nicht-Muslime betrachten.
Unter den derzeit aus dem Nahen Osten nach Europa kommenden Flüchtlingen seien nur ein bis zwei Prozent Christen. Die Christen versuchten auf anderen, legalen Wegen, in den Westen zu gelangen. Was freilich faste in Ding der Unmöglichkeit sei. Kaum eine christliche Familie bekomme ein Visum für ein westliches Land, kritisierte der Ordensmann. Dabei wären gerade die Christen ein Gewinn für die westlichen Geellschaften. "Wir haben die gleiche Mentalität wie Ihr. Wir wäre leicht zu integrieren", so Nagib wörtlich.
Christliche Flüchtling würden aus Angst so gut wie nie zusammen mit muslimischen Flüchtlingen leben. Weder in den Flüchtlingscamps rund um Syrien noch auf den Fluchtrouten nach Europa. Das sei für die Christen viel zu gefährlich. Er habe fast mehr Angst um die Zukunft Europas als um die Zukunft des Nahen Ostens, so P. Nagib: "Das lehrt uns unsere Erfahrung als Christen unter Muslimen. Aber niemand hört uns zu. Europa versteht uns nicht."
Syrien-Lösung nur mit Assad
Zum Syrien-Konflikt befragt, meinte der Ordensmann, dass eine Lösung derzeit nur mit dem syrischen Machthaber Assad realistisch sei. Nur mit Assad könne es Frieden geben. Danach könnte dann schrittweise der Übergang zu einer neuen Regierung erfolgen. Die bisherigen Aktionen gegen Syrien seien jedenfalls viel zu schwach ausgefallen, kritisierte Nagib. Zuerst müsse die Terrororganisation militärisch besiegt werden. Dann sei wenigstens wieder Kurdistan sicher. Freilich sei der IS weniger eine Organisation als vielmehr eine Ideologie. Diese Ideologie gelte es dann in einem zweiten Schritt zu bekämpfen.
Im Nordirak gibt es rund drei Millionen Flüchtlinge. Allein 120.000 Christen hatten im Sommer 2014 vor dem IS aus der Niniveh-Ebene ins sichere Kurdistan fliehen müssen. In Kurdistan sei die Sicherheitslage zwar wesentlich besser als etwa in Bagdad, doch auch in Kurdistan gebe es fundamentalistische islamistische Strömungen, so Nagib. Die Christen seien auch hier zumindest sehr besorgt.
Wirkliche Zukunftsperspektiven gebe es in Kurdistan für Christen nicht. Viele wollten deshalb ins Ausland, viele auch zurück in ihre Heimatdörfer und -städte, aus denen sie vom IS und anderen Islamisten vertrieben wurden. Das sei aber schlicht unmöglich.
Mosul: IS foltert in Dominikanerkirche
Die Dominikaner mussten ihre Klöster in Karakosch und Mosul aufgeben, würden aber sicher zurückkehren, wenn es die Sicherheitslage erlaubt, sagte P. Nagib. Viele Kirchen und Klöster seien freilich auch zerstört oder wurden in Moscheen umfunktioniert. "Aus unserer Dominikanerkirche in Mosul haben sie ein Gefängnis gemacht, in dem sie foltern", berichtete der Ordensmann.
Die Christen hätten das Vertrauen in ihre muslimischen Mitbürger verloren. Diese hätten ihnen kaum gegen die IS-Terroristen geholfen und sich teilweise sogar an den Plünderungen und Vertreibungen beteiligt. Dieses Vertrauen könne nur sehr langsam, wenn überhaupt wieder aufgebaut werden, sagte P. Nagib. Inzwischen würden freilich auch viele Muslime in den von IS besetzten Gebieten erkennen,was sie sich mit diesen Terroristen eingebrockt hätten.
Internationale Archivtagung in St. Pölten
70 Experten aus 30 Ländern diskutierten bis einschließlich Mittwoch im St. Pöltner Bildungshaus St. Hippolyt über die Zukunft des Archivwesens. Schwerpunkt der Tagung ist die geplante Kooperation des Internationalen Zentrums für Archivforschung (ICARUS) mit Archiven des Nahen Ostens. Ziel der Kooperation ist es, den Archiven im Nahen Osten zu helfen, ihre Bestände trotz Krieg und Terror und den damit einhergehenden katastrophalen Lebensumständen sicher zu bewahren. Prominentester Teilnehmer der Tagung ist Patriarch Louis Raphaël I. Sako, Oberhaupt der chaldäisch-katholischen Kirche mit Sitz in Bagdad.
Die Dominikaner im Nordirak haben sich schon seit Jahren neben der Seelsorge auf die Digitalisierung und Archivierung wertvoller historischer Schriftstücke spezialisiert. Dafür hatte sie in ihrem Ordenshaus in Karakosch ein eigenes Studio eingerichtet, nachdem es für Christen schon seit einigen Jahren in Mosul immer gefährlicher wurde. P. Nagib berichtete von rund 8.000 digitalisierten Manuskripten. Unter Einsatz seines Lebens brachten P. Nagib und seine Mitarbeiter im Sommer 2014 unzählige historische Dokumente des 13. und 14. Jahrhunderts auf der Flucht vor dem "Islamischen Staat" (IS) schließlich von Karakosch nach Erbil in Sicherheit.
Aufgrund einer Vorahnung hatte der Dominikanerpater schon am 25. Juli 2014 einen Großteil der Manuskripte aus Krakosch ins sichere Kurdengebiet evakuiert. Als dann der IS in der Nacht vom 6. Auf den 7. August 2014 Karkosch eroberte, brachte der Dominikaner mit einigen Helfern die restlichen Dokumente in Sicherheit. An den kurdischen Checkpoints wurden zwar die zigtausenden Flüchtlinge aus Karakosch durchgelassen, nicht aber die Autos. So verteilte der Ordensmann die Dokumente auf die Flüchtlinge "und zu Fuß haben wir unsere Geschichte und unsere Wurzeln nach Kurdistan gerettet".
Auch wenn er viele Dokumente retten konnte, seien doch zahlreiche Manuskripte in anderen Klöstern und Kirchen in die Hände des IS gefallen. Einiges davon hätten die Terroristen medienwirksam verbrannt, viele aber sicher auch auf dem Schwarzmarkt verkauft, so die Einschätzung des Ordensmannes über die organisierten kriminellen Aktivitäten des IS. P. Nagib: "Der IS will uns Christen komplett auslöschen. Sowohl als Menschen als auch unsere Geschichte." Doch das werde ihm nicht gelingen.
Quelle: kathpress